Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9881 - letzte Aktualisierung: Dienstag 26.12.2023

EST 2018 - Leudal

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Für drei Tage schlug Europas Herz  in Leudal - Die neuen Europa-Majestäten sind Leo Niessen aus den Niederlanden und Christopher Hofmann aus Deutschland

 Roermond / Leudal. Es war ein Europafest der großen Gefühle: Ein jubelnder König, ein stolzer Bürgermeister, ein bewegter Großmeister. Karl von Habsburg, Enkel des letzten österreichischen Kaisers, war es ein besonderes, auch persönliches Anliegen, hundert Jahre nach Ende des 1. Weltkriegs eine Erklärung für Frieden und Freiheit abzugeben und sich für die Schützen zu Europa zu bekennen. Der Großmeister der Ritterschaft vom heiligen Sebastianus in Europa und Protektor der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen sprach „von der großen Friedensbewegung“ der Schützen, von ihrem Auftrag für ein Europa der Vielfalt, von der völkerverbinden Kraft der persönlichen Begegnung. Der Bürgermeister der gastgebenden Maasgemeinde, Arno Verhoeven, war glücklich -  über den überwältigenden Erfolg des Europees Schutterstreffen, über 55.000 Besucher, über ein friedliches, fröhliches Miteinander  bei bestem Wetter. Der neue Europakönig schließlich, Leo Niessen (50) aus dem Leudal benachbarten Linne, strahlender Sieger im Vogelscheibenschießen unter 492 Kandidaten, konnte sein Glück kaum fassen. Er ließ sich feiern – vom Präsidium mit Präsident Charles-Loius de Merode, vom Weihbischof de Jong bei der Krönungsmesse, von seiner Heimatgilde Sint Martinus, von 6000 Schützen im Festzelt, von 25.000 Schützen und  Zuschauern beim Festzug.

Das kleine Leudal hat zum Eurpafest seine Einwohnerzahl mehr als verdoppelt: Europäische Schützen aus neun Ländern, Neugierige und Feierfreundige aus dem weiten Umland trafen sich an den drei Tage in der eigens errichteten Zeltstadt im XXL-Format. Die Stimmung war grandios, bot Zünftiges wie beim Oktoberfest, vor allem aber Party, Party, Party – sogar mit kölschen Tön. Dazu gab´s heimisches Bier von Lindeboom (ick bin van hier), Leckereien niederländischer Art mit Frikandel und Softbrötchen, Fritten aus dem Container und Riemchentorte schon am Morgen. Das alles  gezapft und aufgetischt von 1000 ehrenamtlichen Helfern in Service und Logistik, gesteuert von einem bestens organisierten Team, das das Fest in sieben Jahren bestens durchgeplant hatte. Eine tolle Leistung, die viel Lob einbrachte und mit Ordensdank für die Hauptorganisatoren belohnt wurde.

 Das Fest hatte aber auch leisere Töne, bot besondere Momente bei der Investiturfeier in der wunderbar renovierten Sint-Martinus-Keerk – mit Musik von Dudelsack bis Trompete, mit einer fordernden Predigt des Roermonder Diözesanadministrators Monsignore Schnackers (er wünschte sich die Schützen als wehrhafte Streiter für ein christliches Europa), mit dem Ritterschlag durch Karl von Habsburg für 36 verdiente Bruderschaftler.

 Das Vogelscheibenschießen mit 492 Königskandidaten und 215 Prinzenbewerbern dauerte einen halben Arbeitstag.  Gewöhnungsbedürftig waren nicht nur die schweren und kaliberstarken Gewehre (18 Kilo, 12 Millimeter), auch musste fast senkrecht nach oben angelegt und geschossen werden. Schließlich ging es darum, die Vogelscheibe so zu perforieren, bis der aufgemalte Papagei als kreisrunde Platte nach unten fiel. Aus den Vorrunden (der siegreiche Schütze und die jeweils zwei Schützen vor und nach ihm kamen weiter) ergab sich die Besetzung der spannenden Endausscheidungen. Aus ihr gingen Leo Niessen (Niederlande) und Christopher Hofmann (Deutschland) als Sieger hervor. Hofmann, neuer Europaprinz aus Rheindorf bei Leverkusen, war schneller als sein Königskollege. Der 22jährige Elektronikstudent wurde schon umjubelt, da mühten sich Niessen und seine Mitbewerber noch, die Scheibe abzuschießen. Beinahe wäre der Titel des Europakönigs sogar nach Deutshland gegangen. Robert Hoppe aus Grevenbroich-Gindorf stand schon am Schießstand, wäre der nächste Schütze gewesen, da traf Niessen an der richtigen Stelle: Die Platte fiel. Hoppe war traurig, gratulierte aber sofort.

 Nach dem Schießen ging es im Eiltempo zur Krönungsmesse, wo Monsignore de Jong auf die verspäteten Schützen wartete. Der stimmungsvolle Gottesdienst war ein weiterer Höhepunkt der leisen Töne. Dabei war der Weihbischof in seiner locker vorgetragenen, aber inhaltlich starken Predigt sehr deutlich: Europa habe seine Seele verloren, konstatierte er. Er forderte bewusstes Denken und Handeln, das sich nicht allein auf Materielles beziehe, sondern tiefer gehe – auch im Selbstverständnis der Schützen.

 Die Botschaft kam an – wurde von Karl von Habsburg und Prinz de Merode aufgegriffen, die dem Bischof dankten und sich bestätigt fühlten im Auftrag von Europa-Schützen und Ritterschaft: Feiern ja, aber nicht nur.  Dass sich danach ein lauter Festabend mit Polonaise und Rudelsingen anschloss, war für die Europa-Schützen kein Widersprich. Alles zu seiner Zeit. Fröhliches Feiern verbindet. Für Europakönig und Europaprinz war das Bad in der Menge und der laute Jubel im wogenden Festzelt ein besonderes Erlebnis: Gigantisch, sagte Leo Niessen. Und Christopher Hofmann strahlte nur noch.

So ging es am nächsten, dem dritten und letzten Festtag weiter. Ehrengäste beim Empfang waren NRW-Landtagspräsident Andre Kuper und Frau, von seinen Rietberger Freunden herzlich begrüßt, Limburgs Gouverneur Theo Bovens und natürlich neben den neuen, auch die gerade mit Dank und Anerkennung verabschiedeten Ex-Europa-Majestäten Josef Lohninger und Dirk Mikolajcz.  Nach Ansprachen und Friedenserklärung formierte sich der Festzug mit rund 500 Gruppen aus neun Ländern, mit teils farbenprächtigen Gewändern, mit Königen zuhauf (einige sogar mit Krone), mit Fahnen und Standarten, mit einer Botschaft, die in vielen Gesichtern zu sehen war: Schön, dass wir hier sind. Dazu passt, was der Bürgermeister schon zu Beginn gesagt hatte: „In diesen Tagen schlägt Europas Herz in Leudal“.

Das muntere Pochen war noch bis zum späten Abend zu hören, als sich nach der Schlusskundgebung die Gäste nach und nach auf den mehr oder weniger weiten Heimweg machten. EGS-Generalsekretär Peter-Olaf Hoffmann aber blieb noch in Leudal. Er half beim „Aufräumen“ und hatte zu danken: Dem Organisationsteam, dem Bürgermeister, der Region 3, 1000 Helfern und nicht zuletzt seiner Assistentin Marion Stimmel, die in allen Fragen stets geholfen hatte.  

Text: Thoren