Diese Seite drucken

Klasse statt Masse

Tradition, Ehrenamt und Ehre


Kaspar Kämper, Jahrgang 1974, wohnt im Raum Paderborn, seit 1991 Mitglied der Sankt Hubertus Schützenbruderschaft Bremke (Eslohe).
Neun Jahre lang (2002 bis 2011) inoffiziell ohne Amt  Unterstützung des Bundesgeschäftsführers des SSB bei der Pressearbeit / Presseberichterstattung.
Seit 2009 Ritter in der Ritterlichen Gemeinschaft vom hl. Sebastianus in Europa. Er schrieb uns die

- Persönliche Gedanken eines kleinen Schützenbruders -

Das deutsche Schützenwesen ist geprägt durch das ehrenamtliche Engagement der Schützenbrüder und Vorstandsmitglieder. Ein Engagement, dass nicht hoch genug geschätzt und honoriert werden kann. Nach außen hin präsentieren sich einige Schützen jedoch nicht so, wie es die Ideale „Glaube, Sitte und Heimat“, die sich die Deutschen Schützen auf die Fahne geschrieben haben, verlangen und fordern. Angefangen hat es noch relativ harmlos, als vor ein paar Jahren Pins mit einem über den Boden kriechenden Schützenbruder vor einem Warnschild „Achtung Schützenfest“ auf den Markt kamen. Einige Zeit später konnten diese Warnschilder, die offenbar vor Betrunkenen warnten, bereits an den Ortseingängen vieler Dörfer im Großformat gesichtet werden. Damit pflegten die Schützenbruderschaften das in der Öffentlichkeit bestehende Vorurteil, dass Schützenfeste im Grunde genommen eh nur reine Saufveranstaltungen seien.

Wo bleibt da die Sitte habe ich mich damals schon des Öfteren gefragt. Erschrocken musste ich vor einigen Tagen feststellen, dass auf einer Facebookseite, die das Schützenwesen vertreten soll, T-Shirts zum Kauf angeboten wurden, welche Schützenbrüder in, gelinde gesagt, ziemlich angeheitertem Zustand beim Schützenfest zeigten (als Zeichnung wohlgemerkt), die sich an ziemlich leicht bekleideten Frauen augenscheinlich zu schaffen machten. Ein weiteres Vorurteil gegenüber Schützenfesten wurde bestätigt, nämlich, dass es auf Schützenfesten ziemlich heiß her geht und die betrunkenen Schützen gerne einmal mit fremden Frauen hinter dem Zelt, beziehungsweise hinter der Schützenhalle verschwinden. Solche T-Shirts sind sicherlich auf den ersten Blick lustig, aber sie schaden, besonders, wenn sie auf Festen von Schützenbrüdern getragen werden, dem Ansehen des gesamten Vereins.

Jetzt kommt sicherlich von den ersten Lesern der Einwand, dass kein Schützenbruder solch ein T-Shirt beim Schützenfest unter seiner Uniform tragen würde. Das ist hoffentlich richtig, und ich gehe auch davon aus, dass seitens eines Vorstandes an dieser Stelle eingegriffen würde. Aber gerade in meiner Heimat, dem Sauerland ist es in vielen Vereinen nicht üblich, dass alle Schützenbrüder in Uniform am Fest teilnehmen. Vielmehr ist es hier Brauch, dass nur die Vereinsvorstände und Offiziere Uniform tragen, die Schützenbrüder nehmen in weißer Hose mit weißem Hemd und Schützenhut an den Festumzügen teil, tragen aber ansonsten Zivilkleidung. Kein Hauptmann wird einen Schützenbruder, der in privater Kleidung an seinem Schützenfest teilnimmt, des Festes verweisen, weil er in unangemessener Kleidung feiert. Und viele Vorstandsmitglieder würden in ihrer Freizeit auch mit einem solchen Shirt auf die Straße gehen.

Hier setzt ein Kritikpunkt an, der eigentlich auf einer völlig positiven Entwicklung beruht.

Die Verantwortlichen, sowohl auf Vereins-, als auch auf Verbandsebene haben in den letzten Jahren einen echten Generationswechsel vollzogen. Überall sind junge Männer und Frauen in verantwortungsvolle Positionen gewählt worden. Die ehemals doch veralterten Strukturen wurden aufgebrochen und neues Gedankengut konnte Einzug halten. Aber leider ging bei einigen das Traditionsdenken im Zuge dieses Umbruches völlig verloren. Ehrenämter werden oftmals rein als Ehre gesehen. „Schau mal da, ich bin jetzt Schützenmajor in XY“. Mit den traditionellen Werten identifizieren sich einige der Verantwortlichen nicht oder kaum mehr. Die Hauptsache ist doch, sich an der Tagen im Jahr stolz in der mit Orden nur so zugekleisterten Uniform, die jeder Schrotthändler aufgrund des Materialwertes gerne erben würde, zu präsentieren.

Das nächste Vorurteil wird bekräftigt. „Schützenbrüder können vor lauter Orden an der Uniform kaum noch aufrecht gehen“. Es gibt Bruderschaften, in denen man schräg angeschaut wird, wenn man keine Orden, Medaillen oder Pins an seiner Uniform angebracht hat. Dies ist auch verständlich, denn wenn der erste vereinseigene Orden für drei Mal aufräumen nach einer Veranstaltung verliehen wird, muss sich ja im Laufe der Zeit einiges ansammeln. Bei jedem überörtlichen Fest werden außerdem Teilnahmemedaillen verkauft, die in Ordensform auch für Außenstehende wie eine Auszeichnung wirken. Der eigentliche Wert einer echten Verdienstauszeichnung wird dann nicht mehr gesehen.

Ich selbst bin Schützenbruder in drei Bruderschaften im Sauerland. An meiner Uniform trage ich den Orden für Verdienste des Sauerländer Schützenbundes, sowie das Ritterkreuz der ritterlichen Gemeinschaft vom heiligen Sebastianus in Europa (hierbei handelt es sich ausdrücklich nicht um eine Auszeichnung, wobei viele Ritter dies leider so sehen!).

Der Sauerländer Schützenbund kennt nur die Ehrung in drei Stufen: für Verdienste, besondere Verdienste und für hervorragende Verdienste. Somit ist auch der Orden für Verdienste schon eine Auszeichnung, die nicht jedem Schützenbruder verliehen wird und die, wenn sie verliehen wurde, mit Stolz getragen wird. Wurden vorher schon vier oder fünf vereinseigene Auszeichnungen verliehen, ist diese Auszeichnung eine von vielen und verliert ihren Wert.

Nach meinem Umzug ins Paderborner Land war ich teilweise entsetzt, wie „hoch dekoriert“ manche Schützen beim Schützenfest auftraten. Auf meine Nachfrage, um was für Auszeichnungen es sich im Einzelnen handele, stellte ich fest, dass es in den meisten Fällen Teilnahmemedaillen von Bezirks- oder Bundesschützenfesten handelte.

Hier sind meiner Meinung nach die Verbände gefordert, die den Ruf des Schützenwesens in der Öffentlichkeit zu bewahren haben. Vereine sollten maximal zwei vereinsinterne Auszeichnungen vergeben und die Schützenbrüder anweisen, nur die jeweils höchste Auszeichnung auf Vereins- beziehungsweise Verbandsebene zu tragen. Getreu dem Motto „Klasse statt Masse“. Sicherlich gibt es besondere Erinnerungen, die zum Tagen einer Teilnahmemedaille animieren. Aber auch da sollte man sich überlegen, welche dem Einzelnen am Wichtigsten erscheint. Lieber mit drei oder vier verschiedenen Abzeichen zum Schützenfest gehen, als auszusehen, wie ein geschmückter Pfingstochse. In der Masse getragen verkommen selbst höchste Auszeichnungen zu Karnevalsorden.

Es sollte jedem Schützen, der von den Mitschützen in eine verantwortungsvolle Position in Vorständen etc. gewählt wird durchaus bewusst sein, dass mit der Ehre, die er dadurch zweifelsohne erlangt hat, auch viele Verpflichtungen einhergehen. Dies ist nicht nur die Teilnahme an Festen der Nachbarbruderschaften, die Teilnahme an Vorstands-, Bezirks- oder Bundesversammlungen, es sollte auch die Verpflichtung sein, im öffentlichen sowie im privaten Leben die Grundsätze Glaube-Sitte-Heimat nach außen hin in Gedanken, Worten und Werken zu vertreten und zu leben. Das bedeutet nicht nur, dem Schützenbruder zum 80. Geburtstag zu gratulieren, sondern auch, ihn einmal zu besuchen, wenn er schwer krank im Krankenhaus liegt. Ihm in diesem Falle Mut zuzusprechen. Auf dem letzten Wege begleiten bedeutet nicht nur, mit einem Kranz der Bruderschaft vor dem Sarg herzugehen, nein, es bedeutet auch, ihm in schweren Stunden beizustehen. Es kann bedeuten, dem arbeitslosen Schützenbruder zu neuer Arbeit zu verhelfen, denn gerade in den Dörfern haben die Vereinsvorstände nicht nur engen Kontakt zu den Schützenbrüdern, sondern sind meist auch in der regionalen Wirtschaft als Unternehmer verankert.

Ich will hier keine Generalabrechnung mit den Schützenverbänden, vorständen, -vereinen und –brüdern betreiben. Sicherlich habe ich manches bewusst überspitzt dargestellt, aber die Gedanken, die mir als Schützenbruder, dem das Schützenwesen am Herzen liegt, kamen, als ich diese „Fun-Shirts“ gesehen habe, meinte ich, einmal öffentlich machen zu müssen. Mir ist bewusst, dass sie nichts ändern werden, vielleicht zu Diskussionen oder Gesprächen führen, vielleicht auch Hohn und Spott gegenüber meiner Person hervorrufen, aber wenn auch nur ein Schützenbruder, egal, ob Schütze, Feldwebel oder Oberstleutnant, sich einen dieser Punkte zu Herzen nimmt, seine Uniform als Vorbild „aufräumt“, einem anderen aus Schwierigkeiten heraushilft oder seinen Glauben als Schütze in der Öffentlichkeit bekundet, dann hat auch dieser Artikel seine Aufgabe erfüllt.