Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9881 - letzte Aktualisierung: Dienstag 26.12.2023

Am Anfang stand der Schutz

Zur Geschichte des Schützenwesens


 

                                                                     von Uwe Piontek und Gregor Wensing                                                                                    

Forscht man nach der Herkunft und Bedeutung des Begriffs „Schütze“, so liegt es eigentlich nahe, eine Verwandtschaft mit „schützen“ oder allgemein „Schutz“ anzunehmen. In Nachschlagewerken findet man jedoch ausschließlich den Bezug zum Schießen. Danach ist er die Bezeichnung für eine Person des Fußvolks, die eine Schusswaffe trägt und handhabt (Bogen-, Armbrust-, Gewehr-, Pistolen-, MG-Schütze). Dies sowohl in ziviler als auch militärischer Hinsicht. Neben dem Personenbezug gibt es gleichzeitig den Hinweis auf Formationen (z.B. im preußischen Heer des 19. Jahrhunderts die Schützen als Elitewaffengattung der Infanterie neben den Jägern; ferner Schützenlinie, -reihe, -kette) und Funktionen (Scharf-, Richt-, Ladeschütze).

Schließlich gab es von 1920 bis 1945 den Schützen als untersten Mannschaftsdienstgrad der Infanterie, bei der Panzertruppe auch heute noch den Panzerschützen.
Die Schutzfunktion folgt dann aus der Interpretation der Aufgabenstellung.

Schwerpunktmäßig soll zwar die zivil-bürgerliche Seite, die sich im Vereins- und Brauchtumswesen sowie im Sport zeigt, im Folgenden näher beleuchtet werden, dennoch ergeben sich immer wieder Verbindungen zum Militärischen, da beide Aspekte genau genommen denselben Ursprung haben und sich erst im Lauf der Zeit verschieden entwickelten.

Betrachten wir die Entwicklungsgeschichte der Menschheit, so sind seit ihren Anfängen als überlebensnotwendige Bedürfnisse Nahrungsbeschaffung, Behausung und Schutz bestimmende Elemente des Daseins. Sie beeinflussen zwangsläufig die Entwicklung und den Gebrauch von Gegenständen, welche die Befriedigung dieser Bedürfnisse gewährleisten. Werkzeuge und Waffen gehören untrennbar dazu, besonders für die Jagd und die Verteidigung. Gerade in diesen Kategorien gibt es bis heute eine erkleckliche Anzahl, die ambivalent zu verwenden sind.
Deren Entwicklungslinie beginnt bei Stein und Stock und führt zu Klingen für Messer, Beil und Speer. Die Erfindung von Pfeil und Bogen stellt einen ersten Höhepunkt dar. Vervollkommnet durch die Armbrust, findet sie mit den Feuerwaffen noch lange keinen Abschluss. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Gegenstände seit jeher zum normalen menschlichen Alltag gehören und aus ihm auch nicht wegzudenken sind. Speziell für die Waffen gilt ebenso, dass Zielen und Treffenkönnen uralte menschliche Fertigkeiten sind, die allerdings einer intensiven Übung bedürfen.

Um das Wesen der heutigen Schützenvereine zu verstehen, muss man weit in die Geschichte zurückgehen.

Nach dem Tod Karls des Großen 814 entstand im Westen seines Reiches allmählich Frankreich und im Osten das später so benannte „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“. Im Mittelalter, also vom 6. bis 15. Jahrhundert, bildeten sich die politischen Grundordnungen späterer Zeiten heraus. Gleichzeitig fand ein enormer Aufschwung von Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft statt (Die Abwertung als „finsteres Mittelalter“ ist eine Erfindung der Humanisten in der Renaissance, um herauszustreichen, dass der angeblich „dunklen“ Epoche nun ihre eigene „erleuchtete“ folge).

Trotz Aufschwung und Bevölkerungswachstum
lebten die Menschen jedoch keineswegs in friedlichen Zeiten. Händel, Fehden und Kriege gab es zuhauf.
Bis zur Frührenaissance hatten bereits rund 50 größere Kriege stattgefunden. Hinzu traten Raubzüge verschiedener Völkerstämme, welche die Ordnung im Land bedrohten und unter der Bevölkerung für Angst und Schrecken sorgten. Es waren besonders die Einfälle der Wikinger im Zeitraum vom ausgehenden 8. Jahrhundert bis etwa 1050 und die der damals noch nicht sesshaften Ungarn (899–955).
Ferner im 13. Jahrhundert (Tatarenangriffe) und 15. (Türkeneinfälle), als Reitervölker Europa erneut heimsuchten. Als Schutzmaßnahme sahen die Herrscher jener Zeit vor, dass Ritter mit ihren Burgen das ländliche Gebiet sichern sollten. Außerdem mussten die Städte Befestigungen errichten bzw. ausbauen und so für ihren Bestand selbst sorgen. Im Gegenzug erhielten sie dafür Privilegien und Freiheiten.

Die Verantwortung für die eigene Ordnung und Sicherheit führte in den Städten zur Bildung von Zünften und Gilden, in denen die Angehörigen der einzelnen Berufsgruppen organisiert waren. Als „Zunft“ bezeichnet man ständischeKörperschaften von Handwerkern, die sich zur Wahrung gemeinsamer Interessen zusammengeschlossen hatten. Der Begriff "Gilde“ entstammt dem altgermanischen Sprachschatz und hat dort mehrere Bedeutungen, u.a. „ Gemeinschaft". Zunächst wurde damit ein Zusammenschluss von Kaufleuten benannt, in späterer Zeit steht dieses Wort grundsätzlich für eine Organisation Gleichgesinnter. Diese Gilden können durchaus als die Vorläufer der späteren religiös geprägten Schützenbruderschaften und der nach 1815 entstandenen Vereine angesehen werden.

Als der Schutz der eigenen Stadt folgerichtig eine Bürgerpflicht geworden war, bekamen die Kaufmannsgilden und Handwerkerzünfte einzelne Abschnitte der Stadtmauer zugewiesen, für deren Verteidigung sie zuständig waren. Ebenso wurde zur Gründung von Schützengesellschaften aufgerufen, damit im Bedarfsfall eine Truppe zur Verfügung stand. Die ältesten Gesellschaften sind aus den Niederlanden bekannt, in Deutschland sind sie seit der Mitte des 14. Jahrhunderts beurkundet.

Aufgrund ihrer Bewaffnung, ihrer Ausbildung und der regelmäßigen Übungen stellten sie eine kleine geschulte Elite der Bürgerschaft dar, denn nur Stadtbürger, d.h. Einwohner mit Besitz durften verpflichtet werden, weil sie sich nämlich selbst und ihre Knechte bewaffnen und ausrüsten mussten. In die Schützengesellschaften konnten allerdings nur unbescholtene Bürger eintreten, die sich eines ehrbaren christlichen Lebenswandels befleißigten; dasselbe galt auch für die Zünfte und Gilden, welche nur Bürger mit gutem Ruf aufnahmen.

Es verwundert daher nicht, dass viele der Zunft- und Gildemitglieder auch gleichzeitig in den Stadtparlamenten saßen. So ist in der Chronik der Stadt Medebach im Hochsauerlandkreis aus dem 16. Jahrhundert zu lesen: "Frei, ehrlich, redlich, treu, fromm, ohne Betrug und Falschheit, rein von allen Lastern, Diebstahl und dergleichen - sollen die Schützen sein. …

Dazu sollten sie rechter Beistand sein in gemeiner Not - und deshalb ein Attestat wegen ihres ehrbaren Herkommens und Verhaltens beibringen - und als ehrbare Schützen ihr Gelübte treu erfüllen. … Nur aus honetten, ehrlichen und ohnetadelhaften Personen sollte die Schützengesellschaft bestehen, weshalb dazu keine Diebe, boshaftige, abstoßige und unehrliche Leute admittiert werden sollten und dürfen!"

Die Waffen (Rüstungen, Blank- und Feuerwaffen einschließlich Geschütze) wurden meist im städtischen Zeughaus (Arsenal) gelagert und unterlagen so der Kontrolle durch den Stadtrat, eine frühe Form der parlamentarischen kommunalen Selbstverwaltung. Um jedoch den Umgang mit diesen Waffen zu üben, mussten sich die Bürger regelmäßig treffen, eine Organisation wie die Schützengesellschaft oder -gilde mit Regeln, Geboten und hierarchischer Struktur erleichterte dies. Die „Karlsschützen-Gilde vor 1198 Aachen e.V.“ kann sich rühmen, ältester Verein der Bundesrepublik Deutschland zu sein und damit an der Spitze jahrhundertelanger Schützentraditionen zu stehen. Man feierte 1999 das 1.200jährige Jubiläum, da man die Wurzeln dieser Gilde schon in der Zeit Kaiser Karls des Großen sieht.

Auf dem Land dagegen war es im Mittelalter mit dem Schutz der Bevölkerung nicht so weit her. Besonders in Grenzgebieten wurden zu der Zeit sogenannte Wehrkirchen errichtet, in denen die Bevölkerung unterkommen konnte. Hat die Kirche zudem eine massive Verteidigungsmauer, wird sie als „Kirchenburg“ bezeichnet. Man hatte aber im Grunde keine andere Wahl, als sich unter den Schutz von weltlichen oder kirchlichen Herrschern zu stellen. Wer sich zu dieser Zeit nicht selbst schützen und versorgen konnte, galt als unfrei, da er so in Abhängigkeit von regionalen Machthabern kam. Zwar konnten die Bauern weiterhin auf ihrem Land leben, aber da sie abhängig waren, mussten sie Abgaben und Frondienste leisten. Sie durften nicht einmal ohne die Erlaubnis ihres Herrn wegziehen.

Durch diese Zwänge kam es folglich zu einer Flucht in die Städte, wo ein Leben in Freiheit winkte („Stadtluft macht frei“), was wiederum zu Reibereien mit den vormaligen Grundherren führen konnte, die ihre Untertanen wieder zurückhaben wollten. Das aber wurde in der Regel durch die Stadtparlamente verwehrt.

Die Gründung von Schützengilden zum Zweck der Verteidigung und das gemeinsame Schießtraining formten den Gemeinsinn der Bürger. Damit war gleichzeitig das soziale Engagement der frühen Schützenvereine geweckt, in deren Statuten regelmäßig die Einrichtung einer Notkasse für Bedürftige verankert war. Jedes Neumitglied musste in diese Kasse eine Aufnahmegebühr entrichten. Aus dem Schützengildenvermögen wurde z.B. für ein angemessenes Begräbnis gesorgt, wenn die Hinterbliebenen dies aus eigener Kraft nicht zahlen konnten. Weiter erhielten diese im Falle der Bedürftigkeit Unterstützung. Die Betreuung ging u.U. bis zur Hochzeit, bis die Hinterbliebenen nämlich selber einen Antrag auf Aufnahme in die Schützengilde stellen konnten.

So finden wir in den mittelalterlichen Schützengilden das älteste soziale Netzwerk, dessen wesentliche Aufgaben die Verteidigung des Wohnorts und der wirtschaftlichen Existenzgrundlage, Schutz und Hilfe für Familien als Solidargemeinschaft und die Bewahrung von Werten und bürgerlichen Rechten waren. Solch soziales Gedankengut ist bis heute in den Satzungen fast jedes Schützenvereins vorhanden. Unverkennbar ist aber auch, dass diese bürgerliche Wehr- und Hilfsgemeinschaft durch eine militärische Zweckbindung geprägt ist, die sich vom damaligen Landesaufgebot zur neuzeitlichen allgemeinen Wehrpflicht als praktizierte Verantwortung des Einzelnen für Heimat und Vaterland entwickelt. Eine weitere Variante des bürgerlichen Wehrgedankens stellt die Organisation der Landesverteidigung in Form einer Milizarmee dar. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Schweiz, aber auch die amerikanischen Streitkräfte des Unabhängigkeitskrieges. Militärisch bedeutsam waren besonders die sächsisch-thüringischen Schützengesellschaften in den Hussitenkriegen, die niederländischen gegen die spanische Herrschaft und die legendären Tiroler Standschützen gegen Napoleon.

Die Notwendigkeit der Waffenbeherrschung wird durch das Ziel der Verteidigungsfähigkeit vorgegeben. Der Wettkampf ist dazu das ideale methodische Hilfsmittel, um beides zu erreichen. Der Wunsch, sich mit anderen zu messen, ist nämlich eine urmenschliche Verhaltensweise und kommt dem entgegen. Was also lag für die städtischen Schützengesellschaften näher, als es den Ritterturnieren gleichzutun und Schießwettbewerbe auszurichten, bei denen Ehrungen und Preise zu gewinnen waren? Zunächst geschah dies mit Pfeil und Bogen, dann mit der Armbrust und schließlich mit Feuerwaffen als Austragungsmittel. Geradezu zwangsläufig entwickelte sich auch eine Symbolik in Form besonderer Jahrestage, an denen das Preisschießen stattfand, sowie Fahnen, Abzeichen und Pokale. Auch die sogenannten Schützenkleinodien (Krone, Kette und Schild des Schützenkönigs) sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Bereits im Mittelalter entstand der Brauch, um die Königswürde entweder auf einen Vogel oder auf eine Scheibe zu schießen.


Die Schützenvereine heutiger Prägung entstanden im Geist der Befreiungskriege gegen Napoleon zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Zuvor hatte man im 18. Jahrhundert behördlicherseits dem Tun der Schützengesellschaften noch misstrauisch und ablehnend gegenübergestanden, nicht zuletzt deshalb, weil es bei deren Festen öfters zu Auswüchsen und Ausschreitungen kam (Der 1740 gestorbene preußische König Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, hatte z.B. das Schützenwesen noch als "eitel Müßiggang" bezeichnet). Dagegen wurde nun das Schützenwesen neu belebt. So veröffentlichte beispielsweise am 15. Februar 1817 im preußischen Arnsberg die königliche Regierung eine Verordnung über den "Gebrauch der Schießgewehre, besonders beim Scheiben- und Vogelschießen".

In ihr wurde die Gründung von Schützenvereinen ausdrücklich angeregt. Dies passt durchaus mit dem neuen emanzipatorischen Grundgedanken der preußischen Reformzeit ab 1806 zusammen, nach dem jeder Bürger eines Staates zugleich sein geborener Verteidiger ist (Scharnhorst u.a.). Neben den militärisch-staatlichen Reserveorganisationen der Landwehr und des Landsturms konnte die zivile Komponente unterstützend und ergänzend wirken, indem sie die Verteidigungsbereitschaft weckte und die Einsatzfähigkeit durch Schulung der Schießfertigkeit förderte. Der kennzeichnende Sinnspruch „Üb‘ Aug‘ und Hand fürs Vaterland“ reicht weit bis in das 20. Jahrhundert.


Die nun aus dem Boden schießenden Schützenvereine organisierten sich nach vereinsrechtlichen Grundsätzen und besaßen in den von den Mitgliedern beschlossenen und behördlich genehmigten Statuten eine verbindliche Grundlage für die Gestaltung des Vereinslebens.

Neben ihrem gesellschaftlich-sozialen Rang hatten die Schützenvereine lange Zeit auch eine wichtige politische Bedeutung. Bei der „Deutschen Revolution“ vom März 1848 bis zum Spätsommer 1849 kam den Schützenvereinen zusammen mit den Turner- und Sängerschaften eine wesentliche nationaldemokratische Oppositionsrolle gegenüber den Fürsten zu, die ihre einzelstaatlichen Herrschaftsansprüche wahren wollten. Diese drei Gruppierungen wandten sich gegen die Restaurationsbestrebungen vieler Herrscherhäuser Mitteleuropas, welche sich in der sogenannten „Heiligen Allianz zusammengeschlossen hatten. Als Reaktion entzogen die Herrscher den Bürgerwehren und Schützengilden zunächst jede Möglichkeit zum öffentlichen Wirken, aber der Druck im Volke wuchs.

In Coburg fand 1860 ein Turnerfest statt, bei dem Beteiligte aus allen deutschen Landen anzutreffen waren und auch die Sänger sammelten sich, um in ihren Liedern die Sehnsucht nach einer deutschen Einheit auszudrücken. Etwas verunglückt geriet der Versuch, in Köln 1860 ein „Germanisches Schützenfest“ zu etablieren. Erfolgreicher war man in Thüringen, wo endlich eine Einigung der deutschen Schützen zustande kam: Vom 8. bis 11. Juli 1861 wurde in Gotha unter der Schirmherrschaft von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha ein „Deutsches Schützenfest“ abgehalten, an dessen letztem Tag der „Deutsche Schützenbund“ gegründet wurde. Die Regentschaft von Herzog Ernst II. war gekennzeichnet durch eine Politik, welche die Interessen des liberalen Bürgertums vertrat. Mit der vollen Vereins- und Versammlungsfreiheit wurden z.B. bereits 1852 wesentliche Grundrechte aus der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung in das gemeinschaftliche Grundgesetz der beiden Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha übernommen, die von Ernst II. regiert wurden. Auch das allgemeine, gleiche aber indirekte Wahlrecht aller männlichen Staatsbürger über 25 Jahre ohne Klasseneinteilung – im Rahmen der 1849 gescheiterten Revolution erdacht - wurde darin aufgenommen.

Herzog Ernst II. war als Förderer der deutschen liberalen Nationalbewegung maßgeblich an der Einigung des deutschen Volkes beteiligt. Ebenso bemerkenswert wie die Tatsache, dass sich ein Adeliger für bürgerliche Freiheiten einsetzte, war es, dass die Presse die Gründung des Deutschen Schützenbundes als nationale Tat anerkannte und die Kunde hiervon im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitete. Man beachte: Die Gründung des „Deutschen Schützenbundes“ ging der Reichsgründung um ein Jahrzehnt voraus!

In den folgenden Jahren kam es nach dem Vorbild der Schweiz, wo es bereits seit 1824 „Eidgenössische Schützenfeste“ gab, schon vor der Reichsgründung zu „Bundesschießen“ an wechselnder Stätte: 1862 (Frankfurt am Main), 1865 (Bremen) und 1868 (Wien). Nach der Reichsgründung 1871 unter preußischer Führung, bei der die „kleindeutsche Lösung“ umgesetzt wurde, fanden die „Bundesschießen“ nur noch innerhalb des neuen Deutschen Reiches statt, immer jedoch unter Beteiligung von Schützen aus Österreich und der Schweiz.

Ab 1871 allerdings bekam der Deutsche Schützenbund – sicherlich ungewollt – auch Konkurrenz durch die neuen „Kriegervereine“, welche den Zusammenhalt und die Kameradschaft zwischen ehemaligen und aktiven Soldaten sowie Kriegsteilnehmern fördern sollten und ebenfalls soziale Ideen vertraten. Diese Kriegervereine schlossen sich schließlich 1900 im Kyffhäuserbund zusammen. In der Folgezeit traten die Schützenvereine hinsichtlich ihrer politischen Funktion allmählich in den Hintergrund und verlagerten ihre Aktivitäten mehr und mehr auf die sportliche sowie gesellschaftliche Ebene. Die weitere Entwicklung ging dahin, dass heute sogar ein Unterschied zwischen traditionellen Schützenvereinen („Grünröcke“) und rein sportlich ausgerichteten Schießklubs zu verzeichnen ist. Damit ging auch eine breit gefächerte Vermehrung verschiedener Schießdisziplinen einher.

Mit der politischen Radikalisierung in der Weimarer Republik erwuchs den im Deutschen Schützenbund organisierten Schießsportvereinen durch die Wehrsportverbände, vor allem die NSDAP, neue Konkurrenz. Da die Schützenvereine sich fest in der Tradition der demokratischen Ideen aus der Zeit vor der Reichsgründung sahen, gerieten sie rasch in Gegensatz zu der autoritären Ausrichtung dieser neuen Verbände, die nach dem Führerprinzip organisiert waren. Nach 1933 verschlechterte sich die Situation zusehends, da u.a. auch in das Vereinsrecht eingegriffen wurde in der Form, dass die Vorsitzenden nicht mehr gewählt, sondern ernannt wurden. Damit konnten sie auch jederzeit wieder abberufen werden. Mit diesen Vorgaben war der Weg der Vereine und Verbände in die Abhängigkeit und bedingungslose Koppelung an das NS-System geebnet, sodass letztlich nur noch ideologische Gesichtspunkte galten, weil auch in den Schützenvereinen und -verbänden Parteifunktionäre die Fäden in der Hand hielten.

Im April 1938 wurde auf Verlangen der Geheimen Staatspolizei der Deutsche Schützenbund liquidiert und sein Vermögen wie auch seine Gliederungen in den neu gegründeten „Deutschen Schützenverband“ überführt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verboten die Alliierten zunächst jede schießsportliche Betätigung wie überhaupt alles, was mit Waffen und Militär zu tun hatte. Mit der Ost-West-Polarisierung wurden aber in der Bundesrepublik Deutschland Anfang der 1950er Jahre wieder Schützenvereine zugelassen. Am 18. November 1951 wurde dann in Köln die Wiedergründung des Deutschen Schützenbundes bekannt gegeben, nachdem der formelle Gründungsakt bereits am 16. September in Frankfurt am Main stattgefunden hatte.

In der DDR dagegen blieb die Wiedergründung von Schießsportvereinen bzw. eines entsprechenden Verbandes untersagt. Hier wurde das Sportschießen bis zum Mauerfall lediglich in den staatlichen Sportorganisationen DTSB (Deutscher Turn- und Sportbund) und GST (Gesellschaft für Sport und Technik) ausgeübt. Erst ab Anfang der 1990er Jahre konnten deshalb in den „neuen“ Bundesländern alte Vereine wiedererstehen.

Mit der Gründung des „Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften“ am 28. Februar 1928 in Köln spaltete sich eine Gruppierung ab, die sich als Dachorganisation der deutschen katholischen Schützenbruderschaften verstand. Wegen des Wahlspruchs „Für Glaube, Sitte und Heimat“, der religiösen Grundhaltung und der Ablehnung des Wehrschießens wurde auch dieser Verband am 5. März 1936 aufgelöst. Davor konnte ihn selbst der Anschluss 1933 an den Deutschen Schießsportverband nicht bewahren. Nach dem Krieg formierten sich die Bruderschaften zunächst lokal wieder neu. Am 1. Januar 1951 schlossen sich dann die Diözesanverbände zum „Zentralverband der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften“ zusammen.

Festzuhalten ist also, dass die Schützengilden und –vereinigungen über Jahrhunderte hinweg stets mitgeholfen haben, das zu bewahren, was heute als „abendländische Werte“ gilt. Sie waren in gefährlichen Zeiten Garanten für Sicherheit, Schutz und Zusammenhalt, hatten Vorreiterfunktion in Bezug auf eine soziale Verantwortung für Bedürftige als auch für die Gemeinschaft und haben maßgeblich an der Einigung Deutschlands mitgewirkt.

Wie intensiv Schützenvereine ihre eigene und die Geschichte ihrer Heimat bewahren, ist exemplarisch nachzulesen unter: http://www.kalwang.at/Chronik.17.0.html.

Quellen:

Der Deutsche Schützenbund 1861 – 1951, Festschrift zur feierlichen Proklamation am 18. November 1951 in Köln a. Rh., Köln 1951

http://www.schuetzenwesen.eu/

https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%BCtzenverein

http://www.dv-koeln.de/historie/schuetzenwesen/index.php

http://www.sankt-sebastianus.de/geschichten/schuetzenwesen.htm