Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9881 - letzte Aktualisierung: Montag 22.04.2024

Schützenfest feiern ???

Der Rosenmontagszug in Düsseldorf sollte Ccoronabedingt erst im Mai stattfinden und wurde jetzt, aufgrund der Ereignisse in der Ukraine, abgesagt.



Auch über das, im Herbst stattfindende Oktoberfest in München, wird derzeit mit gleichen Beweggründen diskutiert.

Dazwischen im Jahreslauf, viele kleine und große Festivitäten, in Dörfern und Städten. Brauchtum, Stadtfeste oder auch Schützenfeste, derer landauf landab gleich einige Hundert.

Ist es ethisch - moralisch, überhaupt vertretbar ein Schützenfest zu feiern, wenn Krieg in Europa herrscht, in der Ukraine Menschen grausam sterben?

Diese Frage einfach mit dem Argument zu beantworten: „Kriege hat es auch in den letzten Jahrzehnten ständig gegeben!“ ist zu einfach. Das mag stimmen, aber keine Antwort.

Gerne verweise ich auf die Entstehung der Schützenvereine und Gilden: egal ob als Bet- Bruderschaften und Solidargemeinschaft oder als Bürgerwehr, zum Schutz von Heimat und Familien entstanden, eines haben sie gemeinsam.
Alle Vorläufer der heutigen Schützenvereine haben sich in, aber auch durch Kriegszeiten gegründet.

Es waren Zeiten, deutlich schrecklicher als das, was wir heute erleben. Pandemien wie Pest, Cholera, Pocken aber auch Hungersnöte verschlimmerten die Wirren in den vielen Kriegen der damaligen Zeit.

In diesen Zeiten hat sich der soziale Charakter der Schützenvereine entwickelt, der bis heute in den Statuten festgeschrieben ist. Vielen ist es unbekannt und die Schützen selbst reden nicht viel darüber.
Der Sportentwicklungsbericht des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) und Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) bringen es allerdings auf den Punkt:

Ein zentrales und angebotsübergreifendes Gemeinwohl-Moment stellt der Beitrag der Schützenvereine zum freiwilligen Engagement und Ehrenamt dar. Insgesamt engagieren sich in den Schützenvereinen Deutschlands Mitglieder in über 273.000 ehrenamtlichen Positionen. Im Durchschnitt ist jeder Ehrenamtliche 17,7 Stunden pro Monat für seinen Verein tätig.

Bundesweit ergibt sich daraus eine Arbeitsleistung von rund 4,8 Mio. Stunden, welche in den Schützenvereinen jeden Monat erbracht wird.

Hieraus resultiert eine monatliche Wertschöpfung von 72 Millionen €uro, die durch ehrenamtliche Leistungen im Schützenwesen erbracht wird.

Um dieses überhaupt leisten zu können sind ManPower und Engagement gefragt.
Nach über zwei Jahren Pandemie, mit so gut wie keinen Aktivitäten und Zusammenkünften, drohen diese notwendigen Strukturen aber langsam auseinanderzubrechen.
Allein um diesen Zusammenhalt zu gewährleisten und den Bestand der Vereinsstrukturen zu sichern, machen diese Schützenfeste Sinn.

Schützenfest feiern, heißt nicht das Leid in der Ukraine zu vergessen, ganz im Gegenteil.
In den Gottesdiensten wie auch in den Schützenzelten, wird nicht nur das eine oder andere Gedenkwort fallen, sondern auch für die Bedürftigen gesammelt werden.
So, wie es aktuell ohnehin in vielen Schützenvereinen der Fall ist, wo großartige Hilfe in Richtung Ukraine geleistet wird.

Und nicht nur das: um schwere Zeiten durchzustehen und Anderen helfen zu können, muss man darauf achten, dass man selbst stark bleibt und dass es einem selbst einigermaßen gut geht.

Also feiern wir mit unseren Kameraden, aber auch mit unseren Freunden Gästen und Mitbürgern, damit sie am oder im Schützen-Festzug, beim Gespräch am Schützenplatz oder Tanz im Zelt, einige Minuten oder Stunden der Freude erleben und Kraft tanken.
Diese brauchen wir alle - um den Anforderungen dieser Zeit gerecht zu werden.

Nachtrag:

Mich erreicht gerade eine Anfrage von Thomas Jägermann, Ehrenvorsitzender des Stadtverbandes der Schützenvereine von Hamm (31 an der Zahl), er bringt einen wichtigen Gedanken ins Spiel:

Ein Problem sehen einige - hier bei uns - beim Vogelschießen, z.B weil Flüchtlinge in den Ortsteilen dann durch Ihre traumatischen Erlebnisse Angst bekommen könnten. Hier kam der Vorschlag das Schützenbrauchtum und das bei uns verbreitete Vogelschießen in den Medien zu erklären und dies auch in den Sprachen Englisch bzw Ukrainisch.

Mein Frage ist, habt Ihr dazu etwas im Archiv oder besteht die Möglichkeit uns da zu helfen??“

Ein wertvoller Gedanke, der ebenso nachdenkenswert wie chancenreich ist. Wir müssen ja auch daran denken, das es Vereine gibt, die Ihren König mit lautstarkem Großkaliber ausschießen!
Fakt ist: diese Menschen die derzeit zu uns kommen haben schreckliches erlebt, sind traumatisiert und werden Zeit brauchen, um sich im täglichen Leben wieder zurechtzufinden.

Auch wenn es sich makaber anhört, wir können diese Menschen nicht vor ihren Erinnerungen schützen, es sind ja nicht nur Gewehrschüsse, die Diese wieder aufleben lassen.
Aber wir können Ihnen helfen, diese Erinnerungen zu verarbeiten und hier Anschluss zu finden.

Auch in der Ukraine gibt es Schützenvereine (Kosaken) die sogar ein recht hohes Ansehen genießen. Die ukrainischen Schützen waren 2014 mit die Ersten, die auf dem Maidan Barrikaden errichteten und begannen um ihre Freiheit zu kämpfen.

Ein guter Ansatz, um mit den heimatliebenden Menschen aus der Ukraine in Kontakt zu treten.

Ich denke da an Informationen in Form von Flugblättern oder ähnlichen, die in entsprechenden Einrichtungen verteilt werden können. Eine Information darüber, dass wir ähnliches treiben, wie die Schützenvereine in ihrer Heimat und dass wir in Gedanken bei Ihnen sind.
Und tatsächlich ist es ja auch so: die Schützen in der Ukraine werden seit Jahren unterstützt.

Leider kann ich kein ukrainisch - aber vielleicht findet sich - über dieses in Europa weitverbreitete Portal - ein Mensch, der einen solchen Text verfassen und uns zur Verfügung stellen kann.

Zur Not könnte man so etwas - vor Ort - auch in Englisch verfassen, irgend jemand kann das bestimmt übersetzen.

Zudem bieten sich aber auch diverse Möglichkeiten, um mit diesen Menschen in Kontakt zu treten und Ihnen ein paar schöne Stunden zu bereiten.
Sei es mit einer Einladung zu Kaffee und Kuchen im Festzelt oder einen Kirmesnachmittag mit ukrainischen Kindern.

Was wird letztlich größer sein?
Die staunenden und erfreuten Kinderaugen oder der Aufwand, der dahinter steckt?

Viel Erfolg!