Als digitale Zeitschrift anerkannt: Deutsche Bibliothek Berlin - Frankfurt - München - ISSN: 2190-9881 - letzte Aktualisierung: Montag 22.04.2024

Weniger ist manchmal mehr

Das brauchen wir alles nicht!“ sagte mir im Sommer eine nette junge Dame und meinte damit den Festzug der Bilker Schützen in Düsseldorf.


„Wer braucht schon verkleidete Menschen und alte Männer mit Bierbäuchen?“ so der Kommentar.

Zugegeben, die Worte trafen mich, schließlich bin auch ich mit Bierbauch in die Jahre gekommen und gleichzeitig Pressesprecher der Bilker Schützen.
So entstand ein Artikel der zeigt was die Schützenvereine für die Allgemeinheit leisten. Fast eine halbe Million €uro fließen allein in Düsseldorf an Spenden in das Allgemeinwohl, Jugendarbeit, Altenpflege und vieles mehr kommen dazu.

„Solche Worte von der Generation die sich der Toleranz verpflichtet fühlt…“ dachte ich und meine Gedanken wanderten damals zur Loveparade. Auch ein Festzug, keine verkleideten Menschen, sondern eher weniger Kleidung – für eine andere Generation eben! Da bin ich tolerant aber hinterfragte was das außer Spaß dem Gemeinwohl bringt – außer massig Schäden und Kosten für die Polizeieinsätze.

Inzwischen wissen wir Alle, dass wir ganz bewusst über die Besucherzahlen der Loveparade getäuscht worden sind. Wir sind auf die Werbung hereingefallen die uns so manches suggeriert.

Werbung, damit meine ich (auch) das Märchen vom geilen Geiz.
Viele Menschen glauben daran, raffen was sie kriegen können, arbeiten bis zum geht-nicht-mehr und opfern unbezahlbare Lebenszeit für Dinge die sie im Grunde gar nicht brauchen.
Familien und Freundschaften verlieren dabei, wir können uns heute fast alles kaufen – aber verspüren wir dabei noch tiefe Freude? Eher doch kurzfristige Befriedigung…

Ich war verblüfft und traurig zugleich wie wenige Menschen Anteil am verloschenen Leben der 21 jungen Menschen nahmen. Der Kratzer am Auto, die täglichen Wehwechen, das neue Parfum und die Kegeltour, das bewegte die Menschen, so erlebte ich die Woche nach der Katastrophe.
Wir glauben der Werbung, konsumieren bis an die Grenze des Machbaren und verlieren den Blick für wesentliche Dinge, wir übersehen das es bei Billig – Billig immer etwas auf der Strecke bleibt. Die Qualität, Service, Gesundheit, Sicherheit oder der Mensch. So wie in Duisburg.

Schuldige sind immer schnell gefunden, zumindest in der Presse. Das OB Sauerland die Loveparade nach Duisburg holen wollte wird verständlicher wenn man die Stadt näher betrachtet: eine gebeutelte Stadt, seit Jahren in den Miesen, den letzten ausgeglichenen Haushalt gab es 1992. Mit dem Ende der Stahlindustrie verlor die Stadt Zigtausende Arbeitsplätze – (den Stahl für unsere Industrie gab es jetzt woanders billiger) und Einwohner. 2009 lebten noch 493.000 Menschen in Duisburg, jeder Fünfte hat die Stadt verlassen, nur jeder Dritte arbeitet in sozialversicherungspflichtigen Jobs. Schulen, Einrichtungen, Schwimmbäder – alles geschlossen.

Sparen an der Sicherheit, Lügen, mangelnde Verantwortung all das ist nicht zu entschuldigen. Allerdings: Profitgier mag ich ihm nicht unterschieben, eher den Versuch etwas Positives für seine Stadt zu bewirken. Auch er ist auf die blendende Werbung hereingefallen – so wie wir jeden Tag aufs Neue. Hinterher ist man meistens schlauer! Wenn irgendwann unsere Sozialsysteme zusammenbrechen werden unsere Kinder auch vielleicht sagen: „Das hättet Ihr wissen müssen!“

Immer mehr, immer besser, immer billiger – das wird auf Dauer nicht gehen. Vielleicht ist weniger doch eben mehr….

Übrigens:
wir sollten auch nicht vergessen wer beim Schützenfest die Straßen schmückt,Preise für die Tomola spendet, eine Anzeige in der Vereinszeitung finanziert. In der Regel brauchen die Vereine diese Hilfe,und bekommen diese vielfach vom Einzelhandel, von Handwerkern und Kaufleuten der Stadt.
Nicht von den multinationalen Konzernen die Millionen machen....

Rene Krombholz